Dieser Rundgang widmet sich dem begonnenen Aufwertungsprozess für die Elbinsel Wilhelmsburg. Hamburger Politiker nutzen dafür auch gern den Begriff »Sprung über die Elbe«. IBA, IGS, die Verlegung der alten Reichsstraße, neue Bauvorhaben, die gezielte Ansiedlung von Studierenden auf der Insel, einige neue Schulprojekte - das sind die Motoren dieses Prozesses, mit dem Hamburg wachsen will.
Doch dort auf der Insel sehen viele der Bewohnerinnen und Bewohner diesen Prozess inzwischen kritisch: Angestammte Milieus würden verloren gehen, Steigerungen in der Wohnungsmiete sind schon jetzt zu registrieren. Etliche Wohnungen werden in Eigentumswohnungen umgewandelt. Vorhandene Kulturräume für die Neubewohner umgewandelt. Ein Verdrängungsprozess könne die Folge sein - so die Kritiker. In der Fachliteratur ist derartiges häufig mit dem Begriff von der Gentrifizierung (Gentrification) umschrieben.
Und in der Tat: vor allem im alten Reiherstieg-Viertel, das im Westen der Insel liegt und eine besonders schöne Bausubstanz besitzt, sind schon jetzt Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur deutlich zu bemerken. Es entstehen neue Lokale und Cafés. Das Bild der Insel beginnt sich zu wandeln. Wo aber bleiben dann die Alt-Bewohner, von denen viele zu den so genannten Geringverdienern gehören, wenn sie nicht erwerbslos sind.
Mit diesem Rundgang, der sich gezielt mit diesen Prozessen beschäftigt, wollen wir uns dazu ein eigenes Bild verschaffen. Er ergänzt deshalb unsere bisherigen Touren auf der Elbinsel und schafft für deren bisherige Teilnehmerinnen und Teilnehmer zugleich die Gelegenheit, sich nun mit den vorläufigen Ergebnissen dieses bereits 2007 gestarteten Projekts zu beschäftigen.
Das beginnt schon bei der Anfahrt. Unsere bisherigen Wilhelmsburg Rundgänge starteten meist auf der Veddel. Diese neue Tour beginnt an den Landungsbrücken, von wo aus nun eine neue Fährlinie der HADAG den innerstädtischen Raum mit der Insel verbindet. Schon das ist ein kleines Erlebnis: Die Kurztour über einen alten Elbseitenarm führt uns tief in die alte Wilhelmsburger Geschichte, die nicht selten von Werften und Hafenbetrieben und den dort Arbeitenden geprägt gewesen ist. So entstand auch das Reiherstieg-Viertel, jenes wir so erreichen. Wir kommen in dieses nun über den Spreehafen, wo bisher große Absperrungen den alten Freihafen vom Wohngebiet trennten. Im Sprachgebrauch der Wilhelmsburger war dies die alte Landesgrenze, die Hamburg von Preußen, Hamburg von der einst selbstständigen Gemeinde Wilhelmsburg trennte.
Im Wohnviertel angekommen, schauen wir uns auch einige der neuen Wohnprojekt (»Open House« oder das »Veringeck«) an.
Weiter geht es in das »Weltquartier«. In diesen Wohnblocks, die in den 20er und 30er Jahren in typischer Klinkerbauweise entstanden, blieb kein Stein auf dem anderen. Aus einem alten Flakbunker wurde ein Energiebunker, der uns einlädt aus 30 Meter Höhe einen herrlichen Blick auf die ganze Insel und große Teile von Hamburg zu werfen. Endpunkt des Rundgangs ist dann die Wilhelmsburger Mitte, wo sich die zentralen Ausstellungsflächen von IBA und IGS 2013 befanden und zahlreiche Architekten nun ihre Ideen in Stein und Beton gegossen haben. Positiv dazu in Distanz steht »Woodcube« - ein Haus, das nur aus Holz gebaut wurde. Durchaus beeindruckend ist auch das neue Gebäude der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, die hier nun ihren Sitz hat. Doch dass gerade für diese Behörde Biotope weichen mussten, gehört zu einer kritischen Bilanz dazu.
Unser Rundgang unterscheidet sich von denen anderer Anbieter: Sie befinden sich in Begleitung eines »Wilhelmsburger Ureinwohners«, der diese Veränderungsprozesse nicht einseitig betrachten möchte. Die Schattenseiten dieses Prozesses, das Element der Verdrängung ist unübersehbar. Doch längst war Wilhelmsburg kein typischer Arbeiterstadtteil mehr, sondern zunehmend ein sozialer Brennpunkt, mit einer besonders hohen Konzentration von Armut und Erwerbslosigkeit. Konnte das so bleiben? Was hätte man anders und besser machen können? Wir laden Sie zu einem diskutierenden Rundgang ein, bei dem aber auch das Lachen und der Spaß am Laufen nicht zu kurz kommen soll.
|